Montag, 27. Februar 2012

UMSO WICHTIGER IST ES, für eine soziale, humane und demokratische Krisenlösung zu arbeiten und möglichst viele Menschen dafür zu gewinnen.

Die globale Finanzkrise, deren Auswirkungen weder bereits alle sichtbar noch erst recht bewältigt sind, berührt und erschüttert alle Lebensbereiche: Bankwesen, Wirtschaft und Beschäftigung, aber auch Staat, Politik und Kultur, wenn nicht gar die Demokratie.


Die Finanzkrise ist die zwangsläufige Konsequenz eines nach neoliberalen Vorstellungen umgestalteten Banken-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Es handelt sich dabei um jenen „Kasinokapitalismus“ (Susan Strange), vor dessen Anfängen schon der britische Ökonom John Maynard Keynes gewarnt hat.


Statt auf industrieller Wertschöpfung beruht dieses System auf hoch spekulativen Geldanlagen mittels immer komplexerer Produkte (Derivate / Zertifikate), die unvorstellbaren Reichtum bei wenigen Finanzmagnaten und immer mehr Armut nicht nur in der sogenannten Dritten Welt, sondern auch in den Konsumgesellschaften des Nordens entstehen lassen.

Je stärker Hedgefonds, Private-Equity-Firmen und transnationale Konzerne das Wirtschaftsgeschehen auf dem ganzen Planeten beherrschten, ohne dass ihnen durch öffentliche Institutionen, kompetente Aufsichtsorgane und politische Regulierungsmechanismen spürbar Grenzen gesteckt wurden, umso mehr nahm die Labilität der Kapitalmärkte zu.

Das neoliberale Projekt verschärft die sozialen Ungleichheiten in bislang nicht bekannter Form!


Während sich der „klassische“ Liberalismus als fortschrittliche Bewegung des Bürgertums in erster Linie gegen den Feudalstaat bzw. seine Überreste richtete, bekämpft der Neoliberalismus jeglichen Staatsinterventionismus, der dem Kapital politische Fesseln anlegt.

Seit geraumer Zeit scheint es, als erlebe der Sozial-Staat eine Renaissance und als neige sich die Periode der Privatisierung von Unternehmen, öffentlicher Daseinsvorsorge und sozialen Risiken ihrem
Ende zu.
Noch ist die neoliberale Hegemonie jedoch ungebrochen und verschärft nicht nur die soziale Asymmetrie, bedeutet vielmehr auch eine Gefahr für die Demokratie, weil sie politische Willensbildungsund Entscheidungsprozess entwertet. Viele (junge) Menschen resignieren vor der scheinbaren Übermacht des Ökonomischen gegenüber dem Politischen und ziehen sich ins Privatleben zurück, statt sich für eine bessere Welt, zu engagieren.


Das für den Gegenwartskapitalismus kennzeichnende Kasino im Finanzmarktbereich wird derzeit nicht – wie etwa die globalisierungskritische Organisation attac verlangt – geschlossen, sondern mit Steuergeldern saniert und modernisiert.

Es wäre verfrüht zu glauben, der Neoliberalismus hätte seine Macht über das Bewusstsein von Millionen Menschen verloren, nur weil sie um ihr Erspartes fürchten und mit ihren Steuergroschen ein Mal mehr die Zeche für Spekulanten und Finanzjongleure zahlen müssen.
Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass die globale Finanzmarktkrise zur Überwindung der neoliberalen Hegemonie – hier verstanden als öffentliche Meinungsführerschaft des Marktradikalismus – und zur allgemeinen Rehabilitation der Staatsintervention
beiträgt.


Da sich die Verteilungskämpfe um knapper werdende gesellschaftliche Ressourcen und die Finanzmittel des Staates zwangsläufig intensivieren, dürfte das soziale Klima hierzulande demnächst erheblich rauer werden.

Ähnlich groß ist heute die Gefahr für die Demokratie, wenn der Sozialstaat erneut durch eine Weltwirtschaftskrise und einen drastischen Beschäftigungseinbruch unter Druck gerät. Nie gestaltet sich der geistig-politische Nährboden für Rechtsextremisten günstiger.

UMSO WICHTIGER IST ES,
für eine soziale, humane und demokratische Krisenlösung zu arbeiten und möglichst viele Menschen dafür zu gewinnen.


Auszüge aus:
Wird die Weltfinanzkrise zu einer Gefahr für Wohlstand und Demokratie?
Christoph Butterwegge
(erschienen in: Hintergrund 1/2009, S. 17-21)

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